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Wow-Effekte in der Candidate Experience

Wow-Effekte in der Candidate Experience
© Sincerely Media | Unsplash

„Danke für die Rückmeldung. Auch wenn es mit dem Job nicht geklappt hat, ich wollte mich bedanken und Bescheid geben, dass der Bewerbungsprozess wirklich toll gelaufen ist!“ Wäre so ein Feedback an der Tagesordnung, müssten wir uns dem Thema Candidate Experience gar nicht widmen. Leider ist das jedoch nicht so. Wie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Recruiting und Bewerbermanagement „Wow-Effekte“ hervorrufen können, untersucht dieser Beitrag.

Nach wie vor erhält ein Großteil der Jobsuchenden keine Rückmeldung auf Bewerbungen. Negative Erfahrungen wie diese können das Image eines Unternehmens enorm beschädigen. Denn frustrierte Bewerberinnen und Bewerber dokumentieren ihre Erlebnisse nicht selten auf Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu oder streuen sie in ihrem Bekanntenkreis. Gerade –
aber nicht nur – für Arbeitgeberinnen, die im B2C-Bereich tätig sind, sollte daher eine positive Candidate Experience nicht die Ausnahme, sondern die Regel darstellen.

Es geht also nicht nur darum, einen ersten guten Eindruck zu vermitteln. Sämtliche Touchpoints, auf die potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen, müssen diesen Eindruck bekräftigen.

Nehmen wir das Beispiel eines Arbeitgebers, der im Jahr 2020 wirklich gut gemachte Job-Ads auf Social Media ausgespielt hat. Die Zielgruppe waren IT-Fachleute, das Wording und auch die Bilder hatte das Unternehmen  entsprechend abgestimmt. Nach dem Klick auf das Ad gelangten die Interessierten auf eine sehr zielgruppengerecht aufbereitete Landingpage. So weit so gut, bis zu diesem Touchpoint war die Candidate Experience top. Doch leider wurde nach dem Klick auf den „Jetzt bewerben“-Button alles zunichte- gemacht: Dahinter versteckte sich ein Bewerbungsformular, das vor 20 Jahren sicher angebracht war: zig Felder, die auszufüllen sind, alles Daten, die auch aus einem Lebenslauf oder einem Profil auf einem Businessnetzwerk wie LinkedIn oder XING übernommen werden könnten. Natürlich fehlte auch der Klassiker nicht: das Motivationsschreiben, das bitte hier hochzuladen ist.

Hier wurde viel Zeit und Budget investiert, um auf Jobangebote aufmerksam zu machen, das hat auch gut geklappt. Leider wurde aber eine entscheidende Phase in der Candidate Journey vergessen.

6 Phasen der Candidate Journey
Die Candidate Experience wird meist in sechs Phasen untergliedert:

  1. Anziehung
  2. Information
  3. Bewerbung
  4. Auswahl
  5. Onboarding
  6. Retention

Diese Phasen werden auch Candidate Journey genannt.

„Die Candidate Journey umfasst alle Schritte des Bewerbungs- und Integrationsprozesses von der Orientierung und Recherche zu Jobangeboten über die Übermittlung der Bewerbung, das Auswahlverfahren und die Kommunikation der Entscheidung bis hin zur Onboarding- und Integrationsphase neuer Mitarbeiter.“ (Candidate Journey Studie 2017, stellenanzeigen.de und metaHR)

Phase eins: Anziehung
Ein Beispiel für die erste Phase – wenn auch kein Best Practice – habe ich bereits erläutert. Hier geht es darum, potenzielle Mitarbeiterinnen auf Jobmöglichkeiten im eigenen Unternehmen aufmerksam zu machen. Das kann ein Job-Ad auf Social Media sein, die Teilnahme an einer Karrieremesse oder auch eine Aktion im Rahmen einer Guerilla-Recrui-
ting-Kampagne – die Möglichkeiten sind vielfältig.

Phase zwei: Information
In der zweiten Phase, „Information“, spielen zwei Touchpoints eine wesentliche Rolle:

  • das Job-Inserat und
  • die Karrierewebsite.

Beides sind laut der Candidate-Experience- Umfrage von softgarden aus dem Jahr 2020 die wichtigsten Einstiegspunkte aus Sicht der Bewerberinnen und Bewerber. So geben mehr als 55 Prozent der Befragten an, dass die Stellenanzeige darüber entscheidet, ob eine Bewerbung überhaupt abgesendet wird oder nicht. Die Informationen auf der Karrierewebsite dienen als Ergänzungen und beeinflussen die Entscheidung ebenfalls.

Die zwei wichtigsten Punkte, die ein Job-Inserat enthalten muss, sind:

  • Anforderungen an Bewerberinnen und Bewerber sowie
  • die Beschreibung der Tätigkeit beziehungsweise des Joballtags.

Davon abgesehen muss für Jobsuchende schnell erkennbar sein, ob das Stellenangebot interessant ist oder nicht, das bedeutet, dass Recruiterinnen und Recruiter folgende Angaben in der Anzeige so prominent wie möglich platzieren müssen:

  • aussagekräftiger Stellentitel
  • Ort
  • Angabe der Wochenarbeitszeit

Gesetzlich vorgegeben ist außerdem die Angabe des Gehalts. Im Sinne von Transparenz ist es optimal, eine Gehaltsrange anzugeben, also zum Beispiel: „Abhängig von Ihrer Vorerfahrung beträgt das monatliche Gehalt zwischen 2.500 Euro und 3.300 Euro brutto.“

Auf der Karrierewebsite erwarten Jobsuchende Informationen zu diesen drei Themen:

  • Karriereperspektiven und Möglichkeiten der Weiterbildung
  • Unternehmenskultur
  • Information über Produkte und Dienst-leistungen

Ebenfalls einen hohen Stellenwert – und dies wird sich künftig noch verstärken – haben hier Informationen zu der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beziehungsweise Freizeit.

Ob die Einbindung von Bewertungen auf einer Arbeitgeberbewertungsplattform eine gute Idee ist, liegt am Durchschnittswert, den der eigene Arbeitgeber erzielt: Liegt dieser über 3,5: „Go for it“. Darunter ist die Integration nicht unbedingt förderlich.

Phase drei: Bewerbung
In der dritten Phase zeigt sich, ob die Candidate Experience hält, was sie verspricht: die Bewerbung.

Jetzt geht es umständlichen und umfangreichen Bewerbungsformularen an den Kragen. Die besten Candidate Journey endet hier, wenn wir vergessen, dass

  • die Zeit für das Ausfüllen von langen Formularen von einer Bewerbung abhält,
  • viele Jobsuchende keine Möglichkeit haben, sich über Notebook oder PC zu bewerben (Stichwort Mobile Recruiting),
  • das beliebteste Medium für die Bewerbung E-Mail heißt.

Jetzt ist auch der Zeitpunkt, eine automatisierte – und damit rasche - Bestätigung über den Erhalt der Bewerbung zu versenden, egal ob per E-Mail oder aus dem Bewerbungsmanagementsystem.

Durch die Bestätigung sorgen wir für Klarheit, nämlich darüber, dass die Bewerbung geklappt hat. Somit ist kein telefonisches Nachfragen nötig, ob die Bewerbung angekommen ist.  

Pluspunkte in der Candidate Experience sammeln Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, wenn sie diese Prozessschritte auf der Karrierewebsite transparent kommunizieren, so zum Beispiel:

„Du hast deine Bewerbung abgeschickt? Darüber freuen wir uns und du bekommst innerhalb von zwei Werktagen eine entsprechende Bestätigung. Sollte das nicht klappen, melde dich bitte per E-Mail (verlinkt auf eine entsprechende Mailadresse) oder telefonisch unter (Angabe der Telefonnummer).“

So geben wir Orientierung und keine Bewerberin muss sich mehr fragen: „Jetzt habe ich drei Tage nichts gehört, sollte ich mal anrufen?“ Die Kandidatinnen, die nicht aktiv auf Jobsuche sind, aber aufgrund Ihrer tollen Recruiting-Aktivitäten auf Ihr Joban­gebot aufmerksam wurden, fragen sich das erst gar nicht. Die erzählen lediglich von einer schlechten Erfahrung, bewerten vielleicht auf kununu und kaufen die Produkte Ihres Unternehmens nicht mehr.

So banal es auch klingen mag: Eine Absage zu senden, wenn nach einem ersten Blick auf die Bewerbungsunterlagen klar ist, dass es nicht passt, ist immer noch ein Erfolgsfaktor für eine positive Candidate Experience. Diese sollte so zeitnah wie möglich erfolgen, laut Umfragen finden die meisten Bewerberinnen einen Zeitraum von circa zwei Wochen angemessen.

Überprüfen Sie, ob Ihr Recruitingprozess eine Rückmeldung in diesem Zeitraum zulässt, wenn nicht, ist hier eine Stellschraube, an der Sie besser sofort drehen.

Phase vier: Auswahl
In die vierte Phase schaffen es nicht alle Menschen, die sich für einen Job in Ihrem Unternehmen interessieren, nun geht es um die Auswahl. In dieser Phase sollten Sie beispielsweise daran denken:

  • Ist der Auswahlprozess adäquat zu den Anforderungen der Funktion?
  • Wurden rechtzeitig alle Termine koordiniert?
  • Sind alle Beteiligten entsprechend informiert und vorbereitet?
  • Diese Phase ist nicht nur eine Auswahl von Unternehmensseite, auch die Bewer-berinnen treffen eine Entscheidung – für oder gegen den Job. Das muss allen Beteiligten im Prozess klar sein.

Der Auswahlprozess sollte in Relation zur Aufgabe und Tätigkeit stehen. So wird es wenig sinnvoll sein, mit einer potenziellen Mitarbeiterin, die in der Personalverrechnung tätig sein soll, ein telefonisches Verkaufsgespräch zu simulieren, für eine Kollegin im Telesales ist das unerlässlich. Oft müssen Kandida­tinnen Präsentationen vorbereiten, auch wenn dies gar nicht zu den Tätigkeiten im Job gehört. Wird dann die Präsentationsfähigkeit als Bewerbungskriterium herangezogen, ist der Auswahlprozess nicht stimmig.

Auch hier helfen Transparenz und klare Kommunikation:

  • Wie sieht der Prozess aus, was erwarten wir von den Kandidatinnen?
  • Wie lange dauert der Auswahlprozess üblicherweise?
  • Wer ist daran beteiligt?

Alle diese Informationen sollten Sie unaufgefordert an die Bewerberinnen senden.

Zwei Tipps, die Sie sofort beziehungsweise sehr schnell umsetzen können:
Geben Sie Orientierung im wahrsten Sinne des Wortes: Bei persönlichen Gesprächen vor Ort in Ihrem Unternehmen hilft es, darauf hinzuweisen, wie man am besten anreist, ob Parkplätze zur Verfügung stehen, ob die Wege besonders lang sind und man entsprechend Zeit einplanen muss und wo sich die Kandidatin anmelden soll. Alle Informationen und Details, die für Sie selbstverständlich sind, helfen außenstehenden Personen.

Sie sind mit Ihren Kolleginnen in dieser Situation ganz klar im Vorteil: Sie kennen den Lebenslauf, haben meist auch schon ein Foto gesehen. Haben Sie sich schon überlegt, vorab ein Bild oder sogar ein Video an Ihre Bewerberinnen zu schicken, das dieses Verhältnis zumindest ein wenig ausgleicht? Sie könnten das auch auf eine Sektion auf der Karrierewebsite packen und den Link verschicken. Minimaler Aufwand, maximale Wirkung.

Phase fünf: Onboarding
Nur wenige Bewerberinnen werden in der Phase fünf noch „an Bord“ sein: Onboarding ist angesagt.

Bitte vergessen Sie nicht, dass Onboarding weit vor dem ersten Arbeitstag beginnt. Oft dauert es nach der Unterschrift des Dienstvertrages noch einige Monate, bis Ihre neue Kollegin startet. Hier in Kontakt zu bleiben, verringert das Absprungrisiko enorm.

In der letzten Phase geht es nun darum, Ihre Mitarbeiterin im Unternehmen zu halten und die Candidate Experience geht nahtlos über in die Employee Experience.

„Wow-Effekte im Recruiting zu erzielen, ist eigentlich recht einfach. Man muss nur wissen, worauf man achtet, und möglichst in jeder Phase der Candidate Journey einen Touchpoint umsetzen, der positiv in Erinnerung bleibt.“

So hat das eine Kundin von mir formuliert und besser kann ich es auch nicht sagen. Sie hat übrigens die Rückmeldung aus der Einleitung erhalten, die sich unter anderem darauf bezogen hat, dass Bewerberinnen ganz am Anfang des Prozesses gefragt werden, wie ihnen die Kontaktaufnahme am liebsten ist: per E-Mail, SMS oder telefonisch. Candidate Experience kann wirklich ganz einfach sein.

 

Claudia Lorber
© PicturePeople

// Autorin: Claudia Lorber
Recruiting-Strategin, Autorin, Bloggerin, Speakerin

Dieser Artikel stammt aus der Fachzeitschrift personal manager Ausgabe 4/21 mit dem Schwerpunktthema: Candidate Journey - so schaffen Sie Wow-Erlebnisse

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