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Wie Unternehmen die Klimawende schaffen.

HRM als Trägerrakete.

Green HRM
© iStock.com/Elenathewise

Der Druck auf die Unternehmen wächst, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren und die Klimawende mit voranzutreiben. In einigen Chefetagen ist das Thema auch schon angekommen, doch vielfach fehlt es noch an handfesten Strategien dazu, wie Organisationen die Transformation angehen und umsetzen können. HR könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen.  

Wer sich mit dem Carbon Footprint des eigenen Unternehmens auseinandersetzen möchte, spricht möglicherweise irgendwann mit Menschen wie Werner Pölz. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen vom Umweltbundesamt berechnet der Experte den ökologischen Fußabdruck von Unternehmen. Alle relevanten Emissionen von Treibhausgasen fließen in diese Berechnung mit ein: vom CO2-Ausstoß in der Produktion über die Umweltbilanz von Dienstreisen bis hin zum Carbon Footprint des Druckerpapiers im Büro. Wenn das Zahlengebilde steht und klar ist, wie viel Treibhausgase das Unternehmen in welchen Bereichen verursacht, berät das Umweltbundesamt die Betriebe, wie sie ihren ökologischen Fußabdruck Schritt für Schritt verbessern können.

Interesse am Carbon Footprint massiv gestiegen
Dabei gibt es durchaus „low hanging fruits“, so Pölz, also Verbesserungen, die relativ leicht umzusetzen sind. Darunter falle zum Beispiel der Wechsel zu einem zertifizierten Ökostrom-Anbieter oder die Reduktion von Dienstreisen durch Videokonferenzen. „Unternehmen können einen Klima-Hero ausloben, der möglichst viele Dienstreisen durch Videokonferenzen ersetzt. Sie können Jobräder anschaffen oder ihren Mitarbeitenden Tickets für den öffentlichen Nahverkehr finanzieren.“ Andere Themen ließen sich nur langfristig lösen. Ein Fleischereibetrieb, der vor wenigen Jahren ein teures Kühlsystem installiert hat, das 40 Jahre halten soll, kann die Technologie nicht einfach von heute auf morgen durch eine neue ersetzen. Entscheidend sei, einen Plan zu entwickeln, wie sich der CO2-Ausstoß schrittweise reduzieren lässt, und diesen „Dekarbonisierungspfad“ dann konsequent zu verfolgen.

Das Umweltbundesamt bietet die Beratungen zum Carbon Footprint bereits seit 20 Jahren an. Anfang der Nullerjahre waren die „Early Movers“ vor allem große Handelsketten, beispielsweise aus der Lebensmittelindustrie, die sich einen Vorteil aus der Reduktion ihres ökologischen Fußabdrucks versprachen. Anfangs meldeten sich fast ausschließlich Großkonzerne, um ihre Treibhausgasemissionen berechnen zu lassen. Doch in den vergangenen drei bis fünf Jahren sei die Nachfrage auch im Mittelstand massiv angestiegen – und zwar quer durch die Branchen. „Das reicht vom Fleisch verarbeitenden Unternehmen bis zu Medien-, Logistik- oder Gastrobetrieben“, erzählt Pölz. Für den Experten ist klar: „Es tut sich was.“

Green Deal fordert Klimaneutralität
Ein Grund für das wachsende Interesse an der Klimaberatung ist der „Green Deal“ der Europäischen Union. Nach diesem Ende 2019 vorgestellten Konzept muss Europa bis 2050 klimaneutral sein, also die Emission von Treibhausgasen auf null reduziert haben. Dazu beitragen sollen verschiedene Regularien, die den Ausstoß von Treibhausgasen verteuern. Grüne Kredite sollen Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit setzen, besonders gute Konditionen einräumen. Zudem wird die Gruppe der Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte erstellen müssen, auf kleine und mittlere Betriebe ausgeweitet, die kapitalmarktorientiert sind. Das soll mehr Klimatransparenz schaffen und Anreize für die Unternehmen setzen, nachhaltiger zu agieren.   

Österreich will schon bis 2040 klimaneutral sein, dasselbe Ziel verfolgt die Landeshauptstadt Wien (siehe Beitrag S. 17). Erst vor wenigen Monaten hat die Regierung eine Steuerreform auf den Weg gebracht, die CO2 besteuert und einen Klimabonus einführt. Für die Unternehmen gehe es deshalb beim Thema Klimaschutz zunehmend darum, „ein finanzielles Risiko auszuschließen“, sagt Pölz. Die Transformation koste Geld, das über Steuern erhoben werde. „Unternehmen, die jetzt schon auf Dekarbonisierung setzen, sparen dieses Geld.“

Die „Next Generation“ macht Druck
Auch von anderer Seite wächst der Druck auf die Unternehmen, Klimaziele einzuhalten und den CO2-Ausstoß zu verringern. Die Bewegung Fridays for Future hat viele Menschen für das Thema sensibilisiert. Dazu gehören Mitarbeitende, Kundinnen und Kunden oder auch potenzielle Bewerberinnen und Bewerber – insbesondere aus der jüngeren Generation.

Vor diesem Hintergrund hat sich vor zwei Jahren in Österreich die Initiative und der Verein „CEOs FOR FUTURE“ gegründet. „Wir haben beobachtet, wie die Jugend mit einer Bewegung wie Fridays for Future darauf aufmerksam macht, dass etwas passieren muss“, erzählt Karl Kienzl, Obmann des Vereins, der die Initiative mit der Kommunikationsexpertin Birgit Kraft-Kinz gegründet hat. „Aber damit sich wirklich etwas verändert, müssen die CEOs mit den jungen Leuten in einen Dialog gehen.“ Genau dies geschieht bei den Veranstaltungen und Projekten von CEOs FOR FUTURE.

40 Top-Führungskräfte aus Unternehmen verschiedener Branchen sind schon mit dabei – vom Klappradprozenten VELLO über das Zementunternehmen Lafarge bis zu ÖBB, ASFINAG und den Wiener Stadtwerken. Die Initiative soll nicht nur den Dialog mit der Jugend ermöglichen, sondern auch den Austausch der CEOs untereinander zu Klimafragen anregen, um den Wissenstransfer und die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern sowie gemeinsame Projekte zu initiieren. Das können technische Kooperationen sein, wenn es beispielsweise darum geht, bestimmte Stoffe und Materialien mithilfe von Partnerunternehmen zu recyceln. Anfang 2021 startete zudem ein gemeinsames Lehrlingsprojekt, das dem Nachwuchs der verschiedenen Unternehmen Themen wie Klimawandel, Ressourcenmanagement, Kreislaufwirtschaft und Biodiversität in Workshops und anderen Veranstaltungen sowie Treffen mit den CEOs näher bringen soll. Zudem ist 2022 ein Lehrlingstag geplant.

Während es zu Beginn nicht leicht war, CEOs von der Initiative zu überzeugen, sei das Interesse mittlerweile recht groß, erzählt Kienzl. Das habe auch mit Corona zu tun. „Aber weniger mit der Pandemie selbst, als mit der Erkenntnis, dass der globale Handel in solchen Krisensituationen sehr anfällig ist.“ Noch immer sei es für Unternehmen schwer, bestimmte Produkte und Grundstoffe aus weiter entfernten Ländern der Welt zu bekommen. „Die Haltung, dass man mit dem Unternehmen nach Asien geht, wenn die Umweltvorgaben in Europa zu streng sind, hat sich überlebt.“ Daher steige auch die Bereitschaft in Österreich, sich der Klimawende zu widmen.

Strategien für Nachhaltigkeit und Klimawende fehlen häufig
Dennoch fehlen in vielen Betrieben nach wie vor konkrete Pläne, wie Klimaneutralität zu erreichen ist. Das zeigt eine Studie von EY, für die das Prüf- und Beratungsunternehmen 900 Mittelständler in Österreich befragt hat. Den Ergebnissen zufolge hat aktuell beinahe jedes zweite Unternehmen (46 Prozent) keine Nachhaltigkeits- und Klimastrategie –
und plant auch nicht, dies zu ändern. Erst ein gutes Drittel (35 Prozent) der Betriebe hat eine solche Strategie bereits, weitere 19 Prozent wollen diese in den nächsten zwei Jahren entwickeln.

Genau hier kommt nach Ansicht von Oliver Suchocki HR ins Spiel. Denn wenn es darum geht, den Transformationsprozess in den Unternehmen zu planen und zu begleiten, kann das Personalmanagement eine entscheidende Rolle spielen, sagt der Partner People Advisory Services bei EY Österreich: „HR ist die Trägerrakete in diesem Prozess“, betont er. Denn HR kann die Talente auswählen, die diese Transformation voranbringen, und Veränderungen über gezielte Personalentwicklung im Unternehmen verankern. Die Voraussetzung dafür sei aber, dass sich das HR-Management von vielen administrativen Aufgaben befreien kann und in der Lage sei, Zahlen in Form von Key Performance Indicators (KPIs) zu liefern, die den Transformationsprozess nachvollziehbar machen.

Green HRM als Chance für Personalfunktion und Unternehmen
Für HR berge die Klimathematik eine große Chance, glaubt auch Michael Müller-Camen, Professor für Personalmanagement an der Wirtschaftsuniversität Wien. „Die Personalfunktion versucht schon seit Jahrzehnten, sich als gleichberechtigte Partnerin des Managements zu etablieren. Über die Klimawende gibt es nun ein Thema, das die gesamte Organisation beschäftigt und bei dem sich HR einbringen kann.“ Zurzeit jedoch spiele das Personalwesen bei Klima-Aktivitäten in Unternehmen noch keine entscheidende Rolle. Zwar passiere in den Organisationen schon relativ viel, aber die Personalfunktion sei dafür nicht unbedingt verantwortlich, so der Wissenschaftler. Das zeigen seine Analysen von Nachhaltigkeitsberichten. Bei Robert Bosch zum Beispiel sei die Funktion „EHS – Environment, Health and Safety“ zuständig dafür, das ökologische Bewusstsein im Unternehmen zu fördern, entsprechende Weiterbildungsprogramme zu initiieren und eine umweltfreundliche Mobilität zu fördern.

Sollte HR sich einfach zurücklehnen und anderen Unternehmensfunktionen das Thema Klimawende überlassen? Laut Michael Müller-Camen wäre das keine gute Lösung. Denn das Personalmanagement habe bestimmte Fähigkeiten, die den Transformationsprozess entscheidend voranbringen könnten. Der Wissenschaftler hat den Begriff „Green HRM“ geprägt, der beschreibt, wie das gelingen kann: mit Aktivitäten in allen Bereichen der Personalarbeit, die auf ein nachhaltiges Wirtschaften einzahlen.

Welche das sind, erklärt Müller-Camen an Beispielen: Die Personalfunktion könne über die Kommunikation mit den Beschäftigten das Bewusstsein für ökologische Fragen schärfen. Sie kann Mitarbeitende rekrutieren, die umweltbewusst sind oder Kompetenzen in Bereichen wie Umweltmanagement mitbringen. Zudem hat sie die Möglichkeit, ökologische Nachhaltigkeit in Onboardingprogrammen und Trainings zu schulen.  Auch in die Gestaltung von Anreizsystemen ließen sich ökologische Ziele einbeziehen, um insbesondere die Führungskräfte zu ermutigen, klimafreundliche Entscheidungen zu treffen, die sich nicht unbedingt an kurzfristigen Gewinnen orientieren. Möglich sei es auch, immaterielle Anreize zu setzen, zum Beispiel mehr Parkplätze für Fahrräder bereitzustellen oder Ladestationen für Elektroautos. Auf all diese Bereiche habe HR einen großen Einfluss und könne sie – in Absprache mit der Unternehmensleitung – so gestalten, dass eine Organisation die CO2-Reduktion einfacher, schneller und umfassender erreicht.

Der Fokus auf den Menschen als Chance
„Die große Chance des Personalmanagements ist der Fokus auf den Menschen“, ergänzt Raik Thiele, Forschungsassistent am Institut für Personalmanagement der Wirtschaftsuniversität Wien. In der Vergangenheit seien Umweltthemen in Unternehmen häufig eher von der technischen Seite her betrachtet worden. „Da wurden zum Beispiel Bewegungsmelder eingebaut, um Strom zu sparen, oder Lösungen gesucht, um Kraftwerke effizienter zu machen.“ Aber der Mensch, um dessen Verhalten und Einstellungen es ja bei der Klimawende gehe, sei vielfach vernachlässigt worden.

Dabei sei der Mensch letztlich der Hebel, der einen großen Unterschied mache. Ein Beispiel dafür sei der Verbrauch von Druckerpapier in Büros, den umweltbewusste Unternehmen gerne reduzieren möchten. „Natürlich können Betriebe ihre Drucker so voreinstellen, dass alle Mitarbeitenden nur beidseitig drucken können“, gibt Thiele ein Beispiel. „Aber wenn ich den Menschen nicht erkläre, warum ich das mache, löse ich bei ihnen nur Frust aus. Indem HR aber die Gründe beschreibt, wird klar: Es geht nicht darum, dass wir beidseitig drucken, wir wollen eigentlich nur noch im Notfall drucken, um Ressourcen zu schonen.“ In dieser Hinsicht könne HR schulen und dabei Reflexionsprozesse in Gang setzen, die in kleinen Schritten das gesamte System verändern.

Green HRM in der Praxis
Wie vielfältig Green HRM in der Praxis aussehen kann, zeigen Unternehmen, die sich damit bereits beschäftigen. Der Ökostromanbieter Kelag hat zum Beispiel Nachhaltigkeitsbotschafter in den verschiedenen Funktionsbereichen des Unternehmens etabliert. Sie sollen Nachhaltigkeit in der gesamten Organisation voranbringen. Dabei geht es nicht nur um ökologische Aspekte, sondern auch um wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit, etwa um Diversity. Für den Bereich HR hat Personalentwickler Christian Mörtl die Funktion des Nachhaltigkeitsbotschafters inne. „Wir verfolgen im Personalmanagement aktuell 19 Initiativen in Richtung Nachhaltigkeit – vom verstärkten Abfallrecycling über die Gesundheitsförderung bis zum Angebot einer saisonalen, regionalen und biologischen Ernährung in der Kantine“, berichtet Mörtl.

Ein Beispiel dafür, wie HR über Weiterbildungen Bewusstsein verändern kann, bietet ein Lehrlingsprojekt der Kelag: „Wir haben Weiterbildungen mit Lehrlingen organisiert, in denen sie einen Einblick in die vielfältigen Aspekte des Themas Nachhaltigkeit und ihre Bedeutung für den Kelag-Konzern erhalten haben“, erzählt Mörtl. Dabei hat die Kelag mit inoqo zusammengearbeitet. Das Wiener Start-up hat eine App entwickelt, mit der sich Kassenbons einscannen lassen, um dann den CO2-Ausstoß seines Einkaufs angezeigt zu bekommen. „So sieht man auf dem Handy, wie viel CO2 ein Liter Milch oder ein Kilo Fleisch hat. Das haben wir den Lehrlingen aufbereitet, damit sie ein Gefühl dafür bekommen, welchen Unterschied sie selbst mit jedem Einkauf machen
können.“

Außerdem beschäftigt sich die Kelag mit E-Mobilität. Das Unternehmen will die Geschäftsreisen und die Fahrten der Mitarbeitenden zur Arbeit in die Berechnung des Corporate Carbon Footprints mit aufnehmen. Wichtig für den Erfolg aller Initiativen zur Nachhaltigkeit sei eine enge Verzahnung mit dem Finanzbereich, um Initiativen zu tracken und mittels KPIs messbar zu machen, betont Mörtl.

Während der Kärtner Ökostromanbieter Kelag Nachhaltigkeit tief im Geschäftsmodell verankert hat, bringt nicht jeder den Straßenbauer ASFINAG direkt mit der Klimawende in Verbindung. Dabei beschäftige sich sein Unternehmen schon lange mit diesem Thema, sagt Vorstandsdirektor Hartwig Hufnagl, der auch bei der Initiative CEOs FOR FUTURE mitmacht. Als Straßenbetreiber habe die ASFINAG auch sehr gute Hebel, um die Klimawende auf vielerlei Arten befördern. „Wir können beim Straßenbau auf nachhaltige Materialien achten und eine gute Infrastruktur für E-Autos bereitstellen.“ Die eigene Flotte hat die ASFINAG schon auf Elektrofahrzeuge umgestellt – bis auf schwere Nutzfahrzeuge, für die es bislang noch keine gute Alternative gibt.

HR-Management sei ein wichtiger Treiber bei der Transformation vom Straßenbauer zum umweltbewussten Mobilitätspartner, den die ASFINAG anstrebt, so Hufnagl. „Wir müssen Mitarbeitenden, die neu in das Unternehmen eintreten, vermitteln, wozu sie ihre Arbeit machen und welchen Zweck unser Unternehmen verfolgt“, gibt er ein Beispiel. Die ASFINAG organisiert einmal im Quartal Welcome Days, um den Austausch der Kolleginnen und Kollegen zu fördern und einen intensiven Einblick in die Ausrichtung des Unternehmens zu geben. „Dabei vermitteln wir auch, welchen strategischen Weg wir in puncto Ökologisierung und Nachhaltigkeit gehen möchten.“ Für Hufnagl ist klar: „Die Zeiten haben sich verändert. Es ist ein Gebot der Stunde, Unternehmen in eine klimaneutrale Zukunft zu bewegen – und dabei auch die jungen Leute abzuholen, um sie in diese  Zukunft zu begleiten.“

Von Bettina Geuenich

Dieser Artikel stammt aus der Fachzeitschrift personal manager Ausgabe 1/22 mit dem Schwerpunktthema: HR für die Klimawende

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