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Ziele erreichen — mit Mut und Disziplin

Interview mit Marc Gassert, Speaker, Trainer und Autor

Gassert

Wie gelingt die persönliche Entwicklung? Und was können wir dafür von asiatischen Kampfkünsten lernen? Darüber haben wir mit dem Speaker, Trainer und Autor Marc Gassert gesprochen, der auf der Konferenz Linked HR Leader am 16. September eine Keynote über „Mut“ hält.  

Herr Gassert, was ist Ihr persönlicher Antrieb, sich mit dem Thema Mut auseinanderzusetzen?
Als Kind musste ich immer wieder Mut unter Beweis stellen. Der Beruf meines Vaters hat dazu geführt, dass wir alle paar Jahre von einem Ort zum nächsten ziehen mussten. Gerade dann, wenn ich die Sprache gelernt und Freundschaften geschlossen hatte, ging es weiter in die nächste Kultur mit anderen Gesetzen. Ich musste mich laufend neu öffnen, hatte Angst vor Ablehnung. Aber diese Erfahrung war ein gutes Training: Ich konnte immer wieder von Neuem schauen, was passiert, wenn ich mich verschließe, und was geschieht, wenn ich proaktiv auf Situationen zugehe. Daher rührt wahrscheinlich mein Interesse daran, wie Menschen mit ihren Ängsten Kontakt aufnehmen und Hindernisse überwinden.

Was heißt Mut für Sie?
Mut ist an Angst gekoppelt. Ein Feuerwehrmann, der darauf trainiert ist, zu löschen, hat keine Angst, sondern macht einfach seinen Job. Insofern ist seine Tat auch nicht mutig. Nach Aristoteles ist Mut eine Tugend der Mitte. Zu viel Mut ist Übermut und kann dazu führen, dass ich mich und andere gefährde. Wer zu wenig Mut hat, zögert, zaudert und ist zimperlich. Letzteres erlebe ich im Moment sehr häufig. Selbst das Management scheut sich vor Entscheidungen aus Angst, Fehler zu machen.

Worauf führen Sie dieses Zögern zurück? Hängt es mit der Erfahrung der Pandemie zusammen?
Ich glaube, die Pandemie hat vieles sichtbar gemacht, ist aber nicht die Ursache. Zögern, Zaudern und die Zimperlichkeit resultieren aus der Komplexität unserer Welt. Alles ist so vernetzt und komplex geworden, dass wir oft nicht mehr wissen, welche Auswirkungen unsere Entscheidungen haben. Hinzu kommt, dass die Gesellschaft Fehler stark ahndet. Es gibt kaum noch Barrieren der Kritik. Die Digitalisierung hat eine große Exponiertheit mit sich gebracht. Jeder kann jeden unter dem Schutz der Anonymität sehr hart angehen.

Umso schwieriger ist es, Ängste zu überwinden. Sie sind Meister verschiedener asiatischer Kampfkünste. Was können wir von diesen über den Umgang mit Angst lernen?
Mein Meister hat einmal gesagt: „Kampf ist das Reiben zweier Kräfte aneinander mit dem Ziel der Versöhnung.“ Auch in der Arbeitswelt ringen wir miteinander – mit Argumenten und Gegenargumenten. Aber das Ziel muss sein, in Harmonie zu kommen. Es geht darum, gemeinsam eine Wahrheit zu finden und in diesem Prozess zu lernen. Wenn mich ein Gegner im Kampf trifft, bedeutet dies, dass meine Deckung an dieser Stelle nicht gut genug war. Er zeigt mir Defizite, an denen ich arbeiten muss. Und das ist in erster Linie ein Geschenk. Somit verstehe ich Kampf und Auseinandersetzungen als zielführend. Denn selbst wenn ich unterliege, kann ich immer noch eine wertvolle Lektion lernen.

Was benötigen wir neben Mut noch, um weiterzukommen?
Ich glaube, dass Disziplin vielleicht sogar die großartigste Tugend ist, die sich ein Mensch aneignen kann. Leider verbinden viele den Begriff mit Drill oder Zwang, mit einer Unterdrückung des Selbst – im Sinne von „Ich mache etwas, was jemand anderes sagt“ oder „Ich versage mir das, was ich eigentlich will“. Dabei könnte man sagen, dass Disziplin angewandte Selbstliebe ist. Sie ist das Werkzeug, das ich einsetze, um Ziele nachhaltig zu erreichen. Ich habe nicht die sofortige Bedürfnisbefriedigung im Blick, sondern stelle sie zurück zugunsten eines größeren Ziels. Dabei kontrolliere ich mich auf verschiedenen Ebenen – auf der des Handelns, der Emotionen, der Impulse und der eigenen Leistung. Wir können meist unterschiedlich gut mit den verschiedenen Ebenen umgehen, je nach Lebenssituation. Aber im Grunde kontrollieren wir uns ständig. Denn Disziplin hilft uns, strategisch klug zu handeln – durch eine Entsagung –, um dann die Fülle zu genießen, die mir das Ziel beschert.

Können Sie ein Beispiel geben?
Wenn ich bei der Arbeit einen Konflikt habe, fange ich ja nicht gleich an zu schreien. Stattdessen nutze ich zwei Spielarten der Selbstdisziplin, nämlich Emotionskontrolle und Handlungskontrolle (oft auch Selbstkontrolle genannt), um mein Ziel mit Argumenten zu erreichen. Besonders schwierig ist es, die Impulskontrolle zu regulieren. Einen Impuls verhindern zu wollen ist keine gute Strategie – aber wir können unsere Antworten darauf beeinflussen. Der Impuls kommt in Form einer Emotion oder eines Wunsches – und ich akzeptiere das. Wie ich allerdings reagiere, ist mein persönlicher, selbstbestimmter Beitrag.

Außerdem glaube ich, dass uns Disziplin hilft, Phasen der Kreativität, der Freiheit und des Müßiggangs in den Tag zu integrieren. Ich bin zum Beispiel ein Freund von Morgenritualen. Denn ich weiß, die geben mir Kraft und bringen mich gut in den Tag. Das ist diszipliniert, weil ich mir überlegt habe, was ich brauche, und es dann umsetze.  Aber ich freue mich auch vor dem Einschlafen auf den nächsten Morgen, weil ich weiß, dass ich dann diese Zeit nur für mich habe. Das heißt, ich nutze die Struktur, die ich mir überlegt habe, um mir etwas Gutes zu tun. Ordnung und Struktur sind die Verbündeten von Disziplin. Wenn wir eine Struktur haben, fällt es uns leichter, durchzuhalten.

Stichwort „Durchhalten“: Die vergangenen Monate haben viele Menschen als erschöpfend wahrgenommen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, auch in stressigen Zeiten den eigenen Akku wieder aufzuladen?
Ich empfehle mentale Hygiene. Das können Achtsamkeitsübungen sein, aber auch ein gezieltes Arbeiten mit Qigong, Tai-Chi oder Meditation. Denn wir bekommen durch die Digitalisierung so viele Stimuli – deutlich mehr als früher.

Viele Menschen sitzen andauernd in digitalen Meetings und erleben durch diese erzwungene Inaktivität „Zoom Fatigue“. Noch besorgniserregender finde ich die „Zoom Dysmorphia“: Sie hat damit zu tun, dass wir uns in Videokonferenzen andauernd selber sehen und kontrollieren, wie wir über die Kamera wirken. Das kann zu einem merkwürdigen Kompensationsverhalten führen. Einige Menschen arbeiten mit Filtern oder Apps, die sie schöner erscheinen lassen. Da diese aber in der realen Welt nicht funktionieren, können daraus echte psychische Probleme entstehen.

Doch auch unabhängig von diesen Phänomenen ist die Informationsdichte in Zeiten der Digitalisierung unheimlich groß. Daher brauchen wir den nötigen Freiraum, um unserem Gehirn die Zeit zu geben, diese Eindrücke zu verarbeiten, zu reflektieren und sich auf das Wesentliche zu fokussieren.

Interview: Bettina Geuenich

Dieses Interview stammt aus der Fachzeitschrift personal manager Ausgabe 4/21 mit dem Schwerpunktthema: Candidate Journey - so schaffen Sie Wow-Erlebnisse

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