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„Führung ist enorm schwierig geworden“

Florian Gschwandtner ist Unternehmer und Investor. 2009 gründete der mit 3 Freunden das Fitnessunternehmen Runtastic, das 2015 von Adidas gekauft wurde. Nach dem Verkauf war Gschwandter eine Zeit lang Teil eines adidas Leadership Teams. Heute hält er Anteile an verschiedenen Start-ups, ist Mitgründer von tractive, einem Unternehmen, das GPS-Tracking für Hunde und Katzen anbietet, sowie Co-Founder von Leaders21, einer Plattform für Leadership-Training und Personalentwicklung. Warum Führung in den vergangenen Jahren enorm schwierig geworden ist, beschreibt er im Interview.

Herr Gschwandtner, wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Ich setze stark auf Führung durch Motivation. Menschen eine Vision zu vermitteln, an die ich selber glaube, gelingt mir meistens gut. Ich bin ein motivierter und disziplinierter Mensch, wobei Disziplin aus meiner Sicht wichtiger ist als Motivation. Dazu gehört auch, ein Vorbild zu sein. Gerade im Start-up-Business muss man als Führungskraft meist morgens der erste im Büro sein und abends ist man der letzte, der geht. Wenn jemand Begeisterung für die Sache vorlebt, kann das sehr ansteckend sein. Natürlich musste ich im Lauf der Zeit auch erkennen, dass sich nicht jeder auf die Reise mitnehmen lässt, weil es nie für alle passt.  

Sie haben eine große Bandbreite an Führungssituationen erlebt – vom Start-up bis zum internationalen Weltkonzern. Was ist das Besondere an der Führung im Start-up?

Im Start-up gliedert man die Aufgaben anfangs ja noch nicht in Führung und Nicht-Führung. Stattdessen weiß jeder, was der andere macht, alles wird geteilt und beim Mittagessen spricht man darüber, was gerade ansteht. Ab einer Größe von 20 Mitarbeiter:innen braucht es erste Strukturen und vielleicht auch eine Hierarchie. Dann wird oft die Nummer eins im Marketing der Marketing Lead – und zwar unabhängig von den Führungskompetenzen. Diesen Fehler begehen viele – und das ist uns bei Runtastic anfangs auch passiert.

Es hat eine Weile gedauert, bis wir uns verstärkt Gedanken darüber gemacht haben, wie wir führen wollen, wie viele Direct Leads Sinn machen und wie Führungskräfte Meetings gestalten sollten, damit sie effizienter sind. In dieser Phase haben wir schon stärker geschaut, wer führen kann und wer nicht – ohne dass wir das objektiv über Feedbackrunden gemessen hätten, die wir erst später als Instrumente eingeführt haben. Wir haben aber schon relativ früh damit begonnen, in Workshops an der Kultur des Unternehmens zu arbeiten, um an Fragen zu arbeiten wie: Was wollen wir erreichen? Was erwarten wir? Für welche Werte wollen wir stehen?

Wie haben Sie Führung im internationalen Konzern erlebt?

Es gibt in internationalen Konzern natürlich interkulturelle Thematiken: Asiatische Führungskräfte ticken von ihrer Kultur her anders als amerikanische oder europäische. Das zeigt sich dann zum Beispiel darin, dass die Meetings in verschiedenen Ländern unterschiedlich ablaufen, dass bei den einen viel gelacht wird und bei den anderen ist es ernst und nüchtern. Aber davon abgesehen ist es einfach so, dass wir in einem Konzern eine größere Bandbreite an Führungsstilen erleben. Ich habe im Konzernumfeld Führungskräfte kennen gelernt, die mit Angst geführt haben, so dass niemand sich getraut hat, eine Frage zu stellen. Es gab sehr strukturierte Führungskräfte und andere, die viel zu spät ins Meeting kamen, 22 Leute warten ließen – und es war ihnen einfach egal.

Meine Beobachtung ist, dass es sehr stark an der Führungsperson liegt, wie gut Dinge funktionieren. Es hat einen riesen Impact, ob jemand sehr gut oder mittelmäßig führt. Je stärker sich gute Führung durch eine Organisation zieht, desto eher ist High Performance möglich und desto eher sind Menschen in diesem Unternehmen zufrieden. Letztlich sind es die Führungskräfte, die Kultur, Werte und Umgangston vorleben. Eine große Firma, die ein gutes Produkt hat, kann man zwar nicht so schnell umbringen. Aber nach fünf Jahren schlechter Führung funktionieren bestimmte Dinge schon nicht mehr – und irgendwann wird es ganz schnell existenziell gefährlich.

Woran erkennt man, dass jemand gut führt?

Ein Indikator ist, dass Menschen Spaß an Führung haben. In vielen Unternehmen ist es leider nach wie vor so, dass Leute Führungsverantwortung nur übernehmen, weil sie auf der Karriereleiter weiterkommen wollen. Dann kommen Personen in Führungspositionen, die daran eigentlich kein Interesse haben, weil es nicht ihren Neigungen entspricht. Daher plädiere ich dafür, zwei Pfade zu etablieren. Es muss neben der Führungs- eine Expertenkarriere geben – und beide Wege müssen bezogen auf Gehälter und Anerkennung gleichgestellt sein.

Neben dem Spaß an der Führungsaufgabe ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass Führungskräfte empathisch sind – und das erkennt man sehr schnell daran, wie sie mit anderen umgehen, ihnen zuhören und auf sie eingehen. Diese Fähigkeit ist enorm wichtig, um Menschen auf ihrem Weg zu unterstützen, besser zu werden.

Führung ist in den vergangenen Jahren durch die Zunahme von remote Work komplexer geworden. Welche Kompetenzen brauchen Führungskräfte heute?

Führung ist enorm schwierig geworden und viele Organisationen haben für sich noch keine richtige Lösung, wie sie mit Homeoffice umgehen wollen. Führungskräfte zwar können auch remote einiges tun, um Verbundenheit herzustellen – zum Beispiel einen persönlichen Check-in zu Beginn jedes Meetings, um herauszufinden, wie es den Leuten geht. Auch ein zehnminütiger Morgen-Call, der das Gespräch in der Kaffeeküche ersetzt, eignet sich für so etwas. Aber ich glaube nicht, dass Organisationen ausschließlich aus dem Homeoffice eine Kultur aufbauen können. Bindung an das Unternehmen lässt sich nur entwickeln, wenn wir Kolleginnen und Kollegen treffen, mit ihnen zu Mittag essen und wissen, wie es ihnen geht. Wir sind soziale Wesen und müssen daher zusammenkommen – nicht unbedingt an fünf Tagen pro Woche, aber an einigen Tagen. 

Was ist ein guter Mix?

Bei tractive kommt die ganze Firma an einem Tag pro Woche zusammen, an einem weiteren Tag treffen sich die Teams im Büro. Zwei Tage Homeoffice pro Woche sind möglich. Aber natürlich kann man jederzeit ins Büro kommen. Wir incentivieren das ein bisschen, indem wir Essen und Getränke bereitstellen. Für uns ist das Büro als Treffpunkt auch daher wichtig, weil wir viele Mitarbeitende aus dem Ausland haben, für die Homeoffice genau das Falsche wäre. Sie wollen das Land kennenlernen – und das Büro ist für sie ein Ort der Sozialisierung.

In manchen Unternehmen ist Führung nicht an eine Person gekoppelt, sondern auf mehrere Menschen verteilt. Ist das ein Zukunftsmodell?

Ich bin der Meinung, dass es nach wie vor Führungskräfte braucht, die im Idealfall auch noch eine Spezialisierung haben. Denn man benötigt im Vertrieb eine andere Art der Führung als in der Technik. Aber es ist extrem wichtig, Silodenken abzubauen. Es ist ein großer Fehler, wenn jede Führungskraft nur auf ihre Ziele hinarbeiten – und nicht das Gemeinsame im Blick hat. Wenn es uns gelingt, ein Bewusstsein für die Anliegen und Herausforderungen des Gegenübers zu schaffen, entsteht gegenseitiger Respekt. Ansonsten denkt Sales, „die im Marketing müssen doch nur was online stellen“, und Marketing denkt, „Sales muss doch nur verkaufen“.

Was kann die Unternehmensleitung dazu beitragen, eine positive Führungskultur zu schaffen?

Führung beginnt beim CEO. Die Unternehmensleitung braucht eine Vision, die beschreibt, was das Unternehmen erreichen soll. Auch der Purpose des Unternehmens und der Weg zum Ziel sollten klar sein. Es geht also darum, die Richtung zu setzen und dann zu kommunizieren, wer für was verantwortlich ist. Anschließend sind die Teamleiter gefragt, ein Team aufzubauen, die Menschen zu fördern und die Performance zu reflektieren. Meine Erfahrung ist, dass die Leute froh sind, wenn Führungskräfte und Management auch offen ansprechen, was noch nicht so gut funktioniert und in welchen Bereichen das Unternehmen besser werden muss, anstatt so etwas unter den Tisch zu kehren. Daraus kann eine Energie entstehen, wenn alle gemeinsam versuchen, etwas besser zu machen.

Wenn Sie Unternehmen nur einen Gedanken zum Thema Führung mit auf dem Weg geben könnten, was wäre das?

Unternehmen unterschätzen häufig, wie wichtig es ist, die richtige Person am richtigen Ort einzusetzen. Führung hat massive Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg. Vielen Organisationen reicht es, wenn Führungskräfte ihren Job passabel machen. Aber sie lassen dabei viel Potenzial liegen, weil Team- oder Abteilungsleiter entweder nicht richtig gefordert sind, nicht die richtigen Ziele haben oder nicht richtig positioniert sind.

Interview: Bettina Geuenich

// Veranstaltungstipp
Florian Gschwandtner hält eine Keynote auf dem personal manager Expofestival am 13. März. Außerdem bietet er mit Thomas Kleindessner, Co-Founders von Leaders21, eine MasterClass zum Thema Führung an. 

Quelle

Dieses Interview ist zuerst im personal manager, Ausgabe 2/2024, erschienen.

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Bettina Geuenich

Chefredakteurin bei personal manager
Bettina Geuenich ist die Chefredakteurin der Fachzeitschrift personal manager und des blog.personal-manager.at. Sie beobachtet seit rund 20 Jahren die HR-Szene in Österreich und schreibt darüber.