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Employer Attractiveness: Wie attraktiv ist Ihr Unternehmen?

Wenn Unternehmen eine möglichst hohe Anziehungskraft auf Mitarbeitende ausüben und diese langfristig an sich binden können, haben sie als Arbeitgebende einiges richtig gemacht. Die Disziplin der „Employer Attractiveness“ ist im Personalmanagement alles andere als neu. Was ein Unternehmen jedoch für Beschäftigte und Jobsuchende attraktiv macht, hat sich in der Pandemiezeit deutlich verändert. Faktoren wie eine gute Work-Life-Balance sowie flexible und hybride Arbeit standen nie höher im Kurs als heute.
Was macht ein Unternehmen attraktiv? In den vergangenen Jahren kam es Arbeitnehmenden auf eine gute Mischung vieler verschiedener Faktoren an. Dazu zählten flexible Arbeitszeiten, ein attraktives Gehalt oder sinnstiftende Aufgaben. Auch ein familiäres Arbeitsklima, flache Hierarchien, ein international agierendes Umfeld, eine gute Work-Life-Balance, eine top Unternehmenskultur sowie angemessene Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten standen auf den Wunschzetteln von Mitarbeitenden ganz oben. Soweit eine Studie des Karriereportals StepStone aus dem Jahr 2020.
Work-Life-Balance gewinnt an Bedeutung
Doch nur ein paar Monate später haben sich die Ansichten über die Employer Attractiveness von Arbeitgebenden unter österreichischen Angestellten extrem gewandelt. Das geht aus dem Employer Brand Research 2021 von Randstad hervor. Die Erhebung kommt zu dem Schluss, dass Unternehmen vor allem der Work-Life-Balance ihrer Mitarbeitenden mehr Aufmerksamkeit schenken sollten, um die eigene Arbeitgeberattraktivität zu steigern. Dieser Faktor habe seit Ausbruch der Coronapandemie erheblich an Bedeutung gewonnen, so die Studien-
autoren.
Der Hintergrund: Viele Angestellte wünschen sich nach zwei Jahren Pandemie, endlich wieder ausgeglichener zu arbeiten. Insbesondere Büroangestellte haben in den vergangenen Monaten lange Phasen im Homeoffice verbracht und in vielen Fällen eine Verschlechterung der eigenen Work-Life-Balance festgestellt. Insbesondere die Dauerverfügbarkeit der Arbeit hat sich in vielen Fällen als problematisch herausgestellt.
Wenn der Laptop zu Hause immer aufgeklappt herumsteht, ist die Arbeit laufend greifbar: Statt Feierabend zu machen, wird nach dem Abendessen doch noch mal schnell über die Präsentation für den übernächsten Tag geschaut oder die Mailbox gecheckt. Vielleicht hat die Kollegin aus Übersee ja endlich geantwortet. Dabei hätte beides Zeit bis zum nächsten Tag gehabt. Viele Arbeitnehmer verlegen die Arbeitszeit im Homeoffice auch mal ins Wochenende. Der Effekt: Wer sich 24/7 mit seinem Job beschäftigt, schaltet nicht mehr ab.
Ausschließlich im Homeoffice tätige Angestellte klagen daher laut einer Studie der deutschen Krankenkasse AOK häufiger über Nervosität und Schlafstörungen, was nicht ohne Folgen geblieben ist, wie der Microsoft Work Trend Index 2022 belegt. 24 Prozent der Arbeitnehmenden haben im vergangenen Jahr gekündigt, weil in der Coronazeit das persönliche Wohlbefinden oder die psychische Gesundheit gelitten haben. Sie hoffen, dass sich die Dinge bei einem anderen Arbeitgeber wieder zum Besseren wenden.
Mischung aus Präsenzarbeit und Remote Work
Was allerdings noch in vielen Unternehmen fehlt, ist eine gesunde Mischung von Präsenzarbeit und Remote Work. Niemand will mehr auf die Vorteile des Homeoffice verzichten. Mit ihm gehen zum Beispiel geringere Fahrtzeiten einher, reduzierte Spritkos-
ten und mehr Flexibilität bei der Einteilung der Arbeit. Aber an dem ein oder anderen Tag wollen Angestellte gerne wieder zurück ins Office kommen.
Dem sollten Unternehmen Rechnung tragen und mit dem richtigen Arbeitsmodell die eigene Employer Attractiveness wieder steigern. Allerdings haben bislang nur wenige der Entscheiderinnen und Entscheider in Unternehmen passende Guidelines entwickelt, wie künftig zusammengearbeitet werden soll. Es ist also höchste Zeit, die Frage zu klären, wer wann wo arbeitet. Was es dazu braucht, sind neue kulturelle Normen, die Arbeitnehmenden nach einer langen Zeit der Orientierungslosigkeit wieder Orientierung geben. Sie helfen dabei, dass sich alle wieder stärker mit dem Unternehmen verbunden fühlen.
Aber wie könnte die neue Normalität konkret aussehen? Besonders hoch im Kurs bei Arbeitnehmenden steht das Hybrid-Work-Konzept. Für 43 Prozent der Angestellten unterscheidet dieses Arbeitsmodell einen attraktiven von einem nicht attraktiven Arbeitgeber. Das hat Cisco Österreich gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Marketagent eruiert. Gemeint ist ein Arbeitsangebot, das Mitarbeitenden erlaubt, recht flexibel an unterschiedlichen Orten zu arbeiten, zum Beispiel im Büro, zu Hause oder unterwegs.
„Über Homeoffice wurde seit Start der Covid-19-Pandemie vielfach diskutiert – aber das Konzept von Hybrid Work geht weit darüber hinaus. Es ist ein Modell, das jedes Teammitglied in das Zentrum der Gestaltung des Arbeitsalltags stellt und damit Engagement, Integration und Wohlbefinden fördert. Davon haben alle etwas“, fasst Hans Greiner, Geschäftsführer von Cisco Österreich, zusammen. „Die Zukunft des Arbeitens kann damit flexibler, nachhaltiger und lebenswerter für alle gestaltet werden.“
Bezüglich ihrer Arbeitsweise sind sich die Befragten einig: Die Effizienz an verschiedenen Arbeitsorten hängt stark von der Tätigkeit ab, die Arbeitnehmer ausführen. Während sich kreative oder strategische Aufgaben besser vor Ort erledigen lassen, ist das Homeoffice perfekt für Stillarbeitsphasen geeignet. Ein flexibles Arbeitsmodell geht darauf optimal ein und trägt beidem Rechnung.
Beispiel Microsoft Österreich
Als einer der Vorreiter der modernen Arbeitswelt hat etwa Microsoft Österreich fixen Präsenzzeiten im Büro ganz offiziell eine Absage erteilt. Das neue Modell der Zusammenarbeit setzt auf eine starke Eigenverantwortung und Vertrauensbasis zwischen dem Unternehmen und seinen Mitarbeitenden.
Und noch etwas ist anders geworden: Der Wandel in der Arbeitswelt geht zusätzlich mit einer Umdefinition des Büros einher. Microsoft Österreich hat kürzlich seine Büroräumlichkeiten am Wienerberg neugestaltet. Und auch das ist ein wichtiger Aspekt für eine gesteigerte Employer Attractiveness geworden: Wenn Mitarbeitende nicht mehr so oft vor Ort arbeiten, können Unternehmen Großraumbüros verkleinern und Teile der Arbeitsflächen anderweitig nutzen. Als Kreativ- oder Meetingzonen etwa, in denen Mitarbeiter innovativen Gedanken nachgehen.
Das ist absolut sinnvoll. Denn gemeinsam innovativ und kreativ zu sein – das dürfte künftig der Hauptgrund sein, warum Arbeitnehmende ins Office fahren. Umso mehr brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zukunft Zonen, in denen sie ihrer Kreativität und ihrer Innovationkraft gemeinsam freien Lauf lassen können. Um soziale Begegnungen in einer hybriden Arbeitswelt zu fördern, ermöglichen bei Microsoft vielfältige Besprechungsräume dank moderner technischer Ausstattung Zusammenarbeit jeder Art – physisch und vor Ort, virtuell und auch hybrid.
Beispiel eMAGNETIX
Auch bei der Onlinemarketing-Agentur eMAGNETIX wird künftig hybrid gearbeitet. „Bei uns gibt es Homeoffice für alle, außer an einem Tag in der Woche. Das ist der Dienstag. An dem kommen alle ins Büro, wie wir gemeinsam entschieden haben“, sagt Geschäftsführer Klaus Hochreiter.
„Niemand will mehr auf Dauer isoliert zu Hause sitzen. Am Dienstag finden vorwiegend Meetings und persönliche Gespräche statt. Wir merken bereits, dass das eine positive Auswirkung auf die Bindung und Loyalität unserer Mitarbeitenden hat.“
Mit der Einführung des neuen Arbeitsmodells setzt eMAGNETIX einen Kurs in Sachen Employer Attractiveness konsequent fort, den das Unternehmen schon vor Jahren eingeschlagen hat. Der Arbeitgeber bietet Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seitdem eine flexible 30-Stunden-Woche bei vollem Gehalt inklusive flexibler Vier-Tage-Woche.
Jede oder jeder kann sich aussuchen, ob er oder sie die 30 Stunden in fünf oder in vier Tagen abarbeiten möchte. Wer vier Tage arbeitet, hat freitags oder montags frei. „Die Kolleginnen und Kollegen können das auf Wochenbasis entscheiden, also immer so, dass es am besten passt. Je nach den individuellen Lebensumständen“, sagt Geschäftsführer Hochreiter. Das habe nicht nur ganz klar die Attraktivität des Unternehmens aus Sicht der Beschäftigten gefördert. Seit der Umstellung gehen auch deutlich mehr Bewerbungen ein.
Ein klarer Beweis, dass die Employer Attractiveness gestiegen ist.
So weit, so gut. Aber wie steht es mit der Produktivität? Die habe nicht gelitten, sondern sei gestiegen, so Hochreiter. „Wir haben die 30-Stunden-Woche seit mittlerweile vier Jahren und in dieser Zeit viele Erfahrungen gemacht und Daten gesammelt. Verglichen mit der Zeit vor der Arbeitszeitverkürzung haben die Kolleginnen und Kollegen ihre Produktivität um bis zu 34 Prozent gesteigert! Es gibt natürlich mehrere Faktoren, die das bewirkt haben – Produktivität hängt ja auch mit der Unternehmenskultur und dem Führungsstil des Managements zusammen. Aber der Großteil kommt vom Arbeitszeitmodell.“
Dass andere Arbeitgeber eine Arbeitszeitverkürzung ablehnen, versteht der Unternehmer daher nicht. „Wir sind das beste Beispiel, dass es funktionieren kann.“ Zwar sei es eine Branchenfrage und auch Sache jedes Unternehmens, ob und wie man so etwas umsetzt. Die Idee aber generell vom Tisch zu wischen, hält er für falsch. „Vor zwei Jahren hätte schließlich auch noch niemand gedacht, dass ein Arbeitsmodell wie hybride Arbeit Schule machen könnte, heute setzt es sich als Standard durch“, resümiert der Geschäftsführer. „In der aktuellen Zeit müssen Unternehmen extrem wendig und flexibel sein, um Mitarbeitende zu binden und ihre Attraktivität zu stärken. Alles andere ist ein Irrweg.“
// Formen hybrider arbeit
In Österreich experimentieren bereits zahlreiche Arbeitgeber unter dem Stichwort „hybride Arbeit“ mit unterschiedlichen Modellen. Ziel ist es, Mitarbeitenden eine möglichst sinnvolle Mischung aus Präsenztagen vor Ort und der Arbeit in den eigenen vier Wänden anzubieten.
Aktuell kristallisieren sich die folgenden Konzepte heraus:
- Das Office-first-Modell: Das Homeoffice ist eher die Ausnahme und Arbeit findet wie früher wieder grundsätzlich im Büro statt.
- Das Synchron-hybrid-Modell: Es gibt feste Homeoffice- und feste Office-Tage; drei Tage zu Hause und zwei Tage vor Ort zum Beispiel.
- Und dann gibt es da noch das voll flexible Modell. Bedeutet: Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist frei überlassen, wo sie arbeiten. Sie entscheiden jeden Tag aufs Neue: Office ja oder nein?
Von Sonja Dietz